#52Wochen52Menschen: KW6 – Mareike Hansen – CrowandKraken – Tag 3

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Februar 10, 2021 0 Von jenlovetoread

Du und die Buchbranche

Die Buchbranche war für mich früher ein Mysterium, wie die Welt hinter dem Zirkusvorhang. Bisschen Zauber, bisschen gruselig, ziemlich unerreichbar.

Mittlerweile weiß ich natürlich, dass die Buchbranche keine Zuckerwattewelt ist, in der man mit Einhörnern frühstückt, und dass sie genauso ein Wirtschaftszweig ist wie jeder andere auch. Auch wenn gerade wir Literaturblogger:innen das gerne vergessen auf den Messetreffen, bei den Vorschauen, bei den teilweise liebevoll zusammengestellten Paketen mit den Rezensionsexemplaren darin. Am Ende des Tages geht es um Zahlen und Umsatz.

Picture by Mareike Hansen

Und obwohl ich das weiß bin ich immer wieder traurig oder enttäuscht, wenn Verlage, die ich eigentlich schätze, maximal problematische Bücher verlegen. Ob es nun Autobiografien problematischer Personen sind, Jugendbücher mit der Romantisierung von toxischem Verhalten und sogar Vergewaltigung, oder allgemein Bücher mit Diskriminierungen. Oder auch Nazis auf Buchmessen. Ich erinnere mich da an eine dunkle Frankfurter Buchmesse 2018 (https://www.crowandkraken.de/nazis-auf-der-fbm-blogger-gegen-blogger-und-was-wir-tun-sollten/) mit großem Polizeiaufgebot, Höcke von der AfD wurde von einem rechten Verlag eingeladen, am Rande des Vortrages kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Nicht-Nazis. Die Buchmesse wurde scharf kritisiert, die rechten Verlage und damit die Probleme ins Haus eingeladen zu haben. Die Buchmesse reagierte wie auch die Verlage mit problematischen Büchern auf die Kritik: man wolle die Meinungsfreiheit schützen.

Nun darf man aber nicht vergessen, was ich im Absatz davor sagte: die Buchbranche ist ein Wirtschaftszweig. Die Buchmessen sind Unternehmen. Die werden nicht aus lauter Nächstenliebe an den Buchmenschen veranstaltet. Eigentlich werden auf Buchmessen Rechte gehandelt, Verträge geschlossen. Dass wir Buchblogger da mitmischen dürfen, ist ein Privileg – aber ehrlich gesagt völlig Banane. Ein Unternehmen aber, ob nun Verlag oder Messe oder Buchhandlung, hat sehr wohl die Möglichkeit zu entscheiden, was sie verkauft. Könnte man grob unter „Hausrecht“ zusammenfassen. Es ist nicht Aufgabe oder Pflicht der Verlage und Messen, unter dem Deckmantel „Wir wollen die Meinungsfreiheit schützen“ rechten Meinungen, gewaltverherrlichenden Büchern und anderen Auswüchsen eine Bühne zu geben. Der Schutz der Meinungsfreiheit ist Sache des Staates.

Picture by Mareike Hansen

Jeder Verlag kann sich bei jedem Manuskript überlegen, ob er es verlegen möchte. Das gilt auch für queerfeindliche, rassistische, islamophobe, anderweitig problematische Bücher. Und ich meine nicht die, bei denen man das erst auf den zweiten Blick sieht, sondern bei denen einem das schon von Titel und Klappentext mit dem nackten Mors ins Gesicht springt. Jedes Mal, wenn ein Verlag sich entscheidet, ein offensichtlich diskriminierendes Buch auf den Markt zu bringen, hat das mit Meinungsfreiheit wenig zu tun, eher mit den zu erwartenden Verkaufszahlen.

Warum ich trotzdem noch mit Feuer und Flamme Literaturbloggerin bin, auf Messen gehe, mich gerne mit Verlagsvertretern treffe? Ich will, dass es besser wird. Besser werden kann es aber nur mit kritischen Stimmen, und so eine bin ich oder hoffe ich zumindest zu sein. Ich liebe die Buchbranche trotz allem, und es gibt so viel Gutes. Als 2020 die BLM Proteste in den USA waren und auch in Deutschland breit darüber berichtet wurde, gab es verschiedene Aktionen von Verlagen. Einer senkte den Preis eines Buches eines Schwarzen Autors auf 0,00 €, damit mehr Leute es lesen konnten. Ein anderer Verlag verschickte einen Newsletter mit Empfehlungen zum Thema von den Mitarbeiter:innen – und die Empfehlungen gingen quer durch die Verlagslandschaft.

Trotz der vielen, manchmal harten Kritik überwiegt die Liebe. Ich liebe Bücher, ich komme mit der Buchbranche klar, und ich bin mit Leidenschaft dabei – beim Einhornfrühstück und bei den Büchern aus der Hölle.


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