#52Wochen52Menschen: KW25 – Nora Bendzko – Tag 3

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Juni 24, 2021 0 Von jenlovetoread

Deine Welten

Heute fragt mich Jen nach meinen Welten! Man sollte meinen, als Phantastik-Autorin denke ich mir die alle selbst aus. Tatsächlich spielen bei mir aber oft reale Orte eine Rolle. Bei den Galgenmärchen, die vor der Kulisse des 30-jährigen Krieges spielen, sind das etwa verschiedene europäische Settings. In „Die Götter müssen sterben“ ist es natürlich Troja – immerhin geht es um den Trojanischen Krieg –, aber auch Athen.

Ich habe euch mal eine kleine Fotostrecke von meinem Urlaub in Prag mitgebracht. In jener Stadt, vor allem auf der Prager Burg, spielt die Geschichte von „Kindsräuber“, dem zweiten Galgenmärchen. Leider kann ich mir nicht immer den Luxus, Recherchereisen zu machen, leisten. Prag liegt in der Nähe von Wien, wo ich aktuell lebe, da bot sich ein kleiner Trip an. Die Ruinen von Troja in der Türkei oder Athen sind nicht so leicht für mich zu erreichen. Oft muss ich mit Tourguides, Google Maps oder anderer Literatur auskommen.

Hie und da finden sich auch fiktive Orte in meiner Literatur. In „Die Götter müssen sterben“ wäre das etwa Themiskyra, die Hauptstadt der Amazonen. Kopfkino zum Wegträumen ist mir bei örtlichen Beschreibungen sehr wichtig. Ich dachte, ich rede nicht nur in der Theorie darüber, sondern lasse euch einen Textausschnitt da, damit ihr die Stadt direkt miterleben könnt:

Areto atmete tief die Morgenluft ein, als sie auf die Straße traten. Der Duft von frisch gebackenem Brot mischte sich mit Pferdedung und Gewürzen. Sie kannte diese Gerüche aus Athen, aber hier waren sie anders – intensiver. Die Sonne brannte stärker, die Farben leuchteten mehr, und der Wind sang von Heimat.

Sie sah auf die Stadt, deren voll befahrene Straßen sich vor ihr schlängelten. Eselskarren, Menschen auf dem Weg zur Arbeit und spielende Kinder zogen an den Häusern vorbei. Die einfachen Gebäude waren aus Lehm und Holz gebaut, die prächtigeren aus Stein. Alle paar Schritte ragten Säulen und Olivenbäume auf. Die Ufer des Thermodon-Flusses, der alles durchschnitt, waren besonders fruchtbar. Im felsigen Land Anatoliens war sein Lebensreichtum ein Geschenk der Göttinnen.

Am Horizont ragten die Tempel auf. Ob die Naturmutter Demeter oder die Hexenkönigin Hekate, alle Göttinnen wurden verehrt. Der größte Tempel gehörte Artemis. Er war mit dem Palast der Königinnen verbunden, den Tempel ihres Zwillings Apollon und des Kriegsgotts Ares flankierten. Dies war Themiskyra, die Hauptstadt des Mondstammes. Areto hatte hier ihr zweites Leben begonnen und ihren Sohn aufgezogen.


Hier ist Nora zu finden: