#52Wochen52Menschen: KW46 – Henrike Renken – Buchstabensalat – Tag 3

#52Wochen52Menschen: KW46 – Henrike Renken – Buchstabensalat – Tag 3

Dezember 6, 2021 0 Von jenlovetoread

Du und die Buchbranche

Es war einmal ein Grundschulkind, das die Chor-AG am Montagmorgen schwänzte, um im stillen Schulflur stattdessen das neueste Bibliotheksbuch zu lesen. Noch Jahre später verbrachte es seine Schulpausen mit einem Buch auf dem Schoß, wenn es sich nicht ausnahmsweise mal am sogenannten Socialising beteiligte. In zwei Bibliotheken war das Mädchen Stammgast und mit allen Mitarbeitenden per Du. Einen Girl‘s Day verbrachte das Mädchen in der einen Bibliothek, das Schulpraktikum der Oberstufe in der anderen. Anschließend arbeitete es in den Ferien in der Bibliothek. Scherzhaft wurde ihm die Nachfolge der Leiterin angeboten, wenn das Mädchen entsprechend studieren würde. Es entschied sich aber für einen allgemeineren Studiengang, der die Tür in viele weitere Bereiche der Branche öffnen würde.

Wenn das Mädchen, jetzt eine Frau, heute zurückblickt, hat sie schon viel ausprobiert: Sie hat ein Praktikum in der Presse-/Öffentlichkeitsarbeit eines großen Publikumsverlags absolviert, wo auch Social Media und Blogger*innenbetreuung zu ihren Aufgaben gehörte. Spannend, auch mal die andere Seite der Medaille kennenzulernen! Sie hat im Korrektorat eines Redaktionsbüros gearbeitet, an der Kasse im Buchhandel, beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Sie hat einen Stand auf der Frankfurter Buchmesse betreut. Ihr Hobby ist es, einen Buchblog zu führen, was auch Teil der Buchbranche ist.

Dieses Mädchen – Überraschung! –  war bzw. bin ich. So sieht mein Weg in die Buchbranche aus. Ich habe viele verschiedene Perspektiven auf die Branche ausprobiert und an manchen mehr, an manchen weniger Gefallen gefunden. Mein Studium habe ich mit dem Wunsch begonnen, ins Lektorat eines Publikumsverlags zu gelangen. Heute weiß ich zwar, dass ich die Aufgaben einer Lektorin gut erfüllen kann, aber dass es mir keinen Spaß macht, das acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche zu tun. Stattdessen sehe ich mich eher im stationären Buchhandel oder in der Presse-/Öffentlichkeitsarbeit. Dort ist immer etwas los und obwohl mir als introvertierter Person zum Beispiel der Alltag einer Buchhandlung mit ständigem Kund*innenkontakt manchmal etwas zu viel wird, erfüllt mich diese Arbeit mehr.

Ich werde von einem Job in der Buchbranche nicht reich werden. Das ist zwar auch gar nicht mein Ziel, doch die Einstellung zu Berufseinsteigern einerseits und generell den Löhnen in der Branche andererseits macht mich manchmal ziemlich traurig oder sauer, je nach Tagesstimmung. Ich finde es sehr schade und bedenklich, wie mit der Kulturbranche und damit auch der Buchbranche umgegangen wird, wie wenig Gewicht ihr zugeschrieben wird. Man hat es ja auch in der Pandemie immer wieder gesehen. Das lässt mich nicht gerade optimistisch in die Zukunft schauen, zumal die verfügbaren Stellen dann auch oft umkämpft sind.

Trotzdem folge ich meinem Bauchgefühl und meiner kreativen Ader, die „BUCH!“ schreit. Ich bin sicher, ich finde weiterhin meinen Weg. Auf diesem begleiten mich auf jeden Fall meine Erinnerungen an das kleine Mädchen, das statt eine Stunde länger zu schlafen pünktlich zur Schule fährt, nur um die Zeit dort mit Lesen zu verbringen.


Hier ist Henrike zu finden: